Universität im Rathaus: Deutschland mit finnischen Augen: 175 Jahre politische Reiseliteratur in Finnland – Vortrag von Marko Pantermöller

Montag, 8.5., 17:00, Rathaus

Im 100. Jahr der finnischen Selbständigkeit feiert auch die politische Reiseliteratur Finnlands ein Jubiläum. Da sowohl die politische als auch die kulturelle Geschichte Finnlands eng mit der Geschichte Deutschlands verbunden ist, ist es kein Wunder, dass das Interesse der Finnen an reiseliterarischen Beobachtungen und Interpretationen deutscher Zeitgeschichte besonders groß ist. Die Schilderung einer Deutschlandreise markiert sogar den Anfang des Genres überhaupt. Johan Vilhelm Snellman (1806–1881), der finnische Staatsmann und Philosoph, war 1842 der erste große finnische Kulturreisende, der seine Eindrücke in literarischer Form niederlegte. Gerade in historischen Umbruchszeiten wurden Reiseberichte von ihren Verfassern teilweise ganz bewusst als Instrument zur politischen Meinungsbildung eingesetzt. Die Recherchetiefe und Quellengenauigkeit konnte dabei  je nach Autor eine enorme Bandbreite aufweisen. Der Gattungspionier J.V. Snellman lässt 1842 neben seinen persönlichen Eindrücken auch Gerüchte und Anekdoten in seine Reportage einfließen. Auf eine in Berliner Akademiekreisen aufgeschnappte Bemerkung geht beispielsweise ein abschätziges Urteil  über die Greifswalder Universität zurück. Olavi Paavolainen (1903–1964), der spätere Intendant des finnischen Rundfunks, bereiste Deutschland im olympischen Jahr 1936. Anders als Snellman reduzierte er seine Darstellung aber auf die Dokumentation und Interpretation unmittelbarer subjektiver Wahrnehmungen und gibt so  auch ein Selbstzeugnis von der teuflischen Verführungskraft  nationalsozialistischer Ideologen ab.  Weitere Themen, die Prof. Dr. Marko Pantermöller in seinem Vortrag mit „finnischen Augen“ beleuchtet, sind das geteilte Berlin, die deutsche Wiedervereinigung und die Erweiterung der Europäischen Union.

Institut für Fennistik und Skandinavistik