Bereits zum siebten Mal findet das studentische Übersetzungsprojekt „Neue Nordische Novellen“ an der Universität Greifswald statt. Studierende der Fennistik, Skandinavistik, Slawistik und Baltistik übersetzen dabei Kurzgeschichten und Gedichte junger preisgekrönter Autor*innen aus dem erweiterten Ostseeraum ins Deutsche. Zwischen den Geschichten schaffen Illustrationen, die in Zusammenarbeit mit Studierenden der Bildenden Kunst am Caspar-David-Friedrich-Institut entstehen, einen Raum, in dem die Leser*innen die Eindrücke aus den Texten nachwirken lassen können. Die Kurzgeschichten und Gedichte sollen noch in diesem Jahr von den Studierenden Noëmi Grimm (B.A. Fennistik) und Anja Köneke (M.A. Kultur−Interkulturalität−Literatur) als Anthologie herausgegeben werden. Die Texte des aktuellen Sammelbands weisen das Thema Zeit als verbindendes Element auf.
Zeit ist allgegenwärtig, sie ist ein Spiegel und eine Konstante des Lebens. Sie ist Zeugin, Richterin und letztlich auch Exekutorin. Aber der Begriff Zeit ist zugleich abstrakt und vielfältig und so unterschiedlich nehmen wir sie auch wahr. So können wir uns fragen: Wie verstehen wir Zeit und wie messen wir sie? Mit einem Blick auf die Uhr oder aufs Datum? Durch die vorbeiziehenden Jahreszeiten, die herabfallenden Blätter im Herbst, den geschmückten Weihnachtsbaum im Winter? Die Autor*innen beschreiben ihre eigenen Vorstellungen von Zeitwahrnehmung und -verständnis. Es werden Rückblicke in die Kindheit und Jugend von Charakteren geben, kostbare Momente vergangener Zeiten kommen zum Vorschein, aber auch traurige und traumatische Erlebnisse werden reflektiert. Immer wieder wird deutlich, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander verwoben sind. Umbrüche, Entwicklungen und Modernisierungen werden angesprochen. So geht es bei Dmitrij Lagutin in „Das Nest“ um das Zusammenleben von drei Generationen: Dabei prallen die Vorlieben des Großvaters, der einen alten russischen Ofen und einen alten, fast kaputten Radioempfänger nicht aufgeben will, auf den Wunsch des Vaters, der den Haushalt zu modernisieren gedenkt. Geht es hier vor allem darum, dass der Großvater die Vergangenheit nicht loslassen möchte, so beschreibt Elena Dolgopjat in der Kurzgeschichte „Die Uhr“ einen Jungen, der den Wunsch hat, die Vergangenheit zu verändern, um so eine andere Gegenwart zu kreieren. Die Texte decken eine große Bandbreite an Themen ab: Von fantastischen Wesen, über Danksagungen an echte Menschen aus dem Leben, bis hin zu geschichtlichen Erzählungen ist alles dabei. Die Anthologie gibt zudem Einblicke in verschiedene Genres, Stile und Erzählperspektiven. „Regenschatten“ von Marie Metso ist eine Kurzgeschichte, die im Sekundenstil verfasst wurde, wodurch jede Bewegung und jeder Blick detailreich beschrieben werden. Ira Snamenossez beschreibt hingegen in „Über meinen Musikanten“ in einem kurzen Galopp die unterschiedlichen Schaffensphasen eines Künstlers.
Die „Neuen Nordischen Novellen VII“ richten sich an Leser*innen, die den auf dem deutschen Buchmarkt bisher wenig repräsentierten literarischen Raum der nord- und nordosteuropäischen Länder in den Stimmen junger Autor*innen erleben wollen. Der Dialog, der dabei entsteht, spielt mit Erwartungen und lässt bisweilen alles Vorstellbare hinter sich. So finden sich in den Geschichten Charaktere, die aus einem anderen Jahrhundert stammen und solche, die lieber in einer anderen Zeit leben würden. Es geht um die Jahreszeiten und den Wechsel von Jahren und um lang zurückliegende Zeiten, wie die Eiszeit.
Eigentlich war wieder eine Lesung mit den studentischen Übersetzer*innen der „Neuen Nordischen Novellen VII“ beim Nordischen Klang 2020 geplant. Da der Nordische Klang nun digital stattfindet, hat sich die Studierende Claudia Nierste kurzerhand bereit erklärt, ein Skype-Interview mit dem finnischen Autoren Janos Honkonen aufzuzeichnen, den sie für die siebte Ausgabe übersetze. Darüber hinaus hat sie mit der Novelle „Der unterirdische Nil“ des Autoren Marko Hautala für die Freunde des Nordischen Klangs auch spannenden Lesestoff bereitgestellt, ohne dabei der im Herbst erscheinenden Anthologie vorzugreifen (Hier geht’s zum Lesestoff). Doch zunächst zum Interview mit Janos Honkonen: